Das Odenwälder Familienunternehmen Profi-Mertins begeht in diesem Jahr sein 90-jähriges Firmenjubiläum. Grund genug für einen Blick zurück zu den Anfängen des Unternehmens. Bei einem Interview im Mai 2023 erzählte uns Reiner Mertins die Geschichte von Profi-Mertins - und damit auch die Geschichte seines Lebens.
Der Anfang
“Er war ein ehrgeiziger und fleißiger Geschäftsmann. Er wollte was aufbauen für sich und seine Familie”, so beschreibt der heute 80-jährige Reiner Mertins seinen Vater Paul. Paul Mertins legte 1933 in Kremmen (im heutigen Brandenburg) den Grundstein für das Unternehmen, das heute unter dem Namen “Profi-Mertins” im Odenwald bekannt ist.
Es waren Dinge des täglichen Bedarfs, mit denen Paul Mertins sein Geschäft aufbauen wollte. Neben Haushaltswaren gehörten aber auch Eisenwaren und Bauartikel von Anfang an zum Sortiment. “Es war eine ländliche Gegend.Und er wollte den Menschen das bieten, was sie in ihrem täglichen Leben brauchten”, erklärt Reiner Mertins. Und so beginnt die Geschichte also 1933 in Kremmen, in einem Ladengeschäft in einem Eckhaus Am Markt 189 mit der Telefon-Nr. 309
Auch mit der Reparatur von Reitsätteln und Pferdegeschirr bestritt der gelernte Sattler zeitweise seinen Lebensunterhalt, bevor er 1933 in Kremmen in den Einzelhandel einstieg.
Die dunklen Jahre: Krieg und Hoffnung
Hildegard mit ihren drei Kindern Gerlinde, Reiner und Irmhilde. Inmitten des 2. Weltkriegs musste Hildegard Mertins alleine das Leben ihrer Familie organisieren.
Doch auch in dieser Zeit kam Hoffnung auf die Welt - und das gleich vierfach: Im Jahr 1938 erblickte Sohn Horst das Licht der Welt. Leider starb dieser mit nur drei Jahren im Jahr 1941. Kurz darauf wurden 1941 die Zwillingsschwester Irmhilde und Gerlinde geboren und Sohn Reiner folgte im Januar 1943.
Paul Mertins überlebte die Zeit an der Front. Nach Ende des Krieges kehrte er recht schnell wieder zurück zu Frau und Kindern. Er nahm schnell wieder die Rolle des tatkräftigen Unternehmers ein und brachte sein Geschäft auf Vordermann.
Der kleine Horst Mertins verstarb früh im Alter von nur 3 Jahren.
Sozialismus trifft auf Unternehmergeist:
Die Flucht in den Westen
Und so wurde der Geschäftsmann Paul Mertins immer öfter Opfer von Gängeleien, Anfeindungen und erfundenen Beschuldigungen. Bei mehreren “Betriebsprüfungen” wurde jeder Pfennig hinter dem Komma auf die Goldwaage gelegt. Die Stimmung wurde zunehmend gereizter, aber Paul Mertins ließ sich nicht einschüchtern. Er führte das Geschäft auch gegen den Willen der damaligen politischen Führung weiter.
Der damals 10-jährige Reiner Mertins erinnert sich: “Wir saßen am Kaffeetisch mit Familie und Freunden.Plötzlich kam einer ins Haus gestürmt und sagte nur das Wort: ‘Abfahren! Eisenbahn!!’” Vater Paul erkannte sofort die Brisanz der Situation. Es war ihm klar, dass eine Verhaftung oder Schlimmeres unmittelbar bevorstand. Hals über Kopf verließen Paul und seine Familie noch in derselben Stunde ihre Heimatstadt Kremmen. “Wir sind dann zu Bekannten ins nächste Dorf gefahren und haben dort übernachtet”, erinnert sich Reiner Mertins. “Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Auto nach Falkensee, ließen dort unser Auto stehen und sind mit der Bahn nach Berlin gefahren.Dort konnten wir mit der S-Bahn in den Westsektor der Stadt fahren.” Die Familie Mertins war damals nicht die einzige, die aus dem Osten flüchten wollte. “Einige Tage später wurde wir zusammen mit anderen nach Hannover ausgeflogen." Schließlich fanden die Mertins Aufnahme bei alten Bekannten in Friedrichshafen am Bodensee, wo sie ca. ein halbes Jahr lebte. Die Flucht aus der späteren Deutschen Demokratischen Republik fand hier zunächst ein erstes Ende.
Paul Mertins suchte sich in Friedrichshafen eine Arbeitsstelle, war aber gleichzeitig immer auf der Suche nach einer Möglichkeit, wieder ein Geschäft zu eröffnen. Und diese Gelegenheit ergab sich bald…
Neustart im Odenwald - mit Vollgas in die Zukunft
Das Foto zeigt Vater Paul, Mutter Hildegard und Sohn Reiner Mertins 1955 vor einem ihrer ersten Geschäfte in Michelstadt am Lindenplatz.
Das Geschäft in der Jahnstraße in Erbach - hier mit den Geschwistern Irmhilde, Gerlinde und Reiner zusammen mit Mutter Hildegard.
Nur wenige Jahre nach der Fertigstellung des neuen Geschäfts in der Hochstraße ergab sich für den ehrgeizigen Geschäftsmann eine neue Gelegenheit, die er nicht ungenutzt verstreichen ließ…
Ein neues Kapitel:
Die Industriestraße von den Anfängen bis heute
Im ersten Bauabschnitt wurden Geschäfts- und Wohnräume erschaffen.
Die Paul Mertins KG (und die ganze Familie Mertins) hatten in der Industriestraße eine neue Heimat gefunden.
Erste Erweiterungen und Aufbau einer neuen Dachkonstruktion
Das Mertins-Areal hatte bereits beachtliche Ausmaße angenommen. Mit immer neuen Erweiterungen und Anbauten wurden die Geschäftsräume und die umliegende Freifläche weiter vergrößert. Das Geschäft wuchs.
In diesem Jahr erschien zum ersten Mal das heute noch gebräuchliche “Profi-Mertins” in großen Lettern über dem Eingang
Anbau der neuen Lagerhalle “Holzhalle”
Nach dem großen Umbau mit der Komplettüberdachung der zuvor einzelnen Anbauten - Blick von der Industriestraße aus
Die Fundamente für den “großen Kran” wurden erstellt. Der Kran wurde damals gebraucht gekauft und aus Wien mit mehreren LKWs nach Michelstadt transportiert.
An dieser Stelle stand der fest montierte Kran bis zum Frühjahr 2023
Blick von der Bundesstraße - jetzt mit neuem Vordach im Eingangsbereich
Die komplette Fassade wird renoviert und neu gestaltet - neue Schilder mit den aktuellen Logos werden montiert
Luftaufnahme inklusive der Erweiterung des Lagers mit dem Regallager im Südbereich (links im Bild)
Seit 2021 ist eine 100 kW-Solaranlage auf der Südhälfte des Daches installiert
Der alte Lagerplatzkran wird nach gut 30 Jahren im Betrieb demontiert - eine Reparatur war nicht mehr möglich
Der neue Kran ist nun blau und wird im Juni montiert.
90 Jahre Profi-Mertins -
eine Geschichte über drei Generationen
Das Foto zeigt Paul und Hildegard Mertins 1970 vor dem neu erbauten Wohn- und Geschäftshaus in der Industriestraße
In den 60er und 70er Jahren betrat Sohn Reiner immer mehr die Bühne des Familienunternehmens und übernahm zunehmend wichtige Aufgaben innerhalb der Firma. Nachdem er seine Lehre als Elektromechaniker erfolgreich abgeschlossen hatte, heiratete Reiner Mertins 1971 seine Frau Jutta. Jutta und Reiner lernten sich 1967 beim Schwimmen im örtlichen VfL Michelstadt kennen. Jutta fing bereits 1968 direkt nach dem Abitur am Gymnasium Michelstadt in der Firma von Reiner bzw. Paul und Hildegard Mertins im Büro an.
1971 Hochzeit von Reiner und Jutta Mertins
1974 erblickt der kleine Stephan Mertins das Licht der Welt
Auch die Idee, auf dem firmeneigenen “Eisenplatz” dauerhaft einen großen Baukran zu installieren, stammt von ihm.
Das Foto von 1990 zeigt die zweite und dritte Generation des Familienunternehmens Mertins (v.l.n.r.): vorne die Eltern Reiner und Jutta Mertins, hinten die mittlerweile drei Kinder Ute, Stephan und Frank.
Umso überraschender war es dann, als Stephan Mertins im Jahr 2003 bei seinen Eltern anfragte, ob denn das Angebot der Firmenübernahme noch stehe. Er hatte auch schon einen konkreten Plan: Er stieg 2003 zunächst als Mitarbeiter nur halb in die Firma seiner Eltern ein. Parallel dazu absolvierte er einen Aufbaustudiengang “Betriebswirtschaft - speziell für Unternehmensnachfolger” - damit war er drei Tage pro Woche im Unternehmen und drei Tage pro Woche an der Hochschule in Pforzheim.
Im Jahr 2005 beendete Stephan Mertins nach 18 Monaten das Betriebswirtschaft-Aufbaustudium an der Hochschule Pforzheim als Jahrgangsbester und schuf damit die optimalen Voraussetzungen zur Übernahme der Firma Profi Mertins.
Im Jahr 2008 übernahm Stephan Mertins im Rahmen der Feier zum 75-jährigen Firmenjubiläum die Geschäftsleitung von seinem Vater im Rahmen einer großangelegten “Staffelstabübergabe”.
Stephan mit seinen Eltern Jutta und Reiner Mertins, ebenfalls 2008.
Stephan Mertins hat in seiner Zeit als Geschäftsführer von Profi Mertins ebenfalls am Ausbau des Unternehmens weitergearbeitet. Im Mittelpunkt seiner Unternehmensphilosophie stehen einmal mehr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eigenverantwortung und Eigeninitiative möchte er fördern und so für ein Betriebsklima sorgen, bei dem jede und jeder sich einbringen kann.
Zum Anderen ist es auch die Profi-Beratung, die weit über das übliche Maß hinausgeht. Zu den Mitarbeitern gehören sehr viele ausgebildete Fachkräfte aus unterschiedlichen Handwerksberufen. Dies macht Profi-Mertins heute zum führenden Baufachmarkt in der Region Odenwald.